Lebersche hereditäre Optikusneuropathie (LHON)
März 2012Die Herausforderungen einer stark unterdiagnostizierten seltenen Krankheit
Richard, Russell Wheelers 24-jähriger Sohn, hatte im Juni 2011 erste Sehstörungen und fing an, alles verschwommen zu sehen. Das Ergebnis der nachfolgenden Untersuchung lautete: Schwellung des Sehnervs, höchstwahrscheinlich ausgelöst durch eine Vireninfektion. In den folgenden Wochen verschlechterte sich Richards Sehvermögen und weitere Untersuchungen wiesen auf Lebersche hereditäre Optikusneuropathie (LHON) hin. LHON ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die von der Mutter vererbt wird und einen schnellen Verlust des zentralen Sehvermögens verursacht.
Russel erklärt: „Keiner von uns hatte von dieser Erkrankung gehört. Informationen und Hilfe waren nur schwer zu finden. Die Ärzte vor Ort hatten noch nie mit LHON zu tun gehabt und holten sich Informationen aus dem Internet. Ein führender Facharzt gab uns wenig Hoffnung, als er bestätigte, dass es keine Heilung gibt und Richard sich einfach an das Blindsein gewöhnen müsse.
„Natürlich gibt es Schlimmeres, als blind zu werden. Aber dennoch ist es ein Tiefschlag. Zusätzlich bleibt die Sorge, dass Richards Bruder, Schwester oder seine Mutter ohne Vorwarnung die Symptome entwickeln könnten“, sagt Russell.
Vater und Sohn sind beide der Ansicht, dass ihnen von medizinischer Seite zwar Mitgefühl entgegengebracht wird, aber sonst nicht viel mehr, abgesehen von Informationen, die meist viel umfassender auf dem Internet zugänglich sind.
Russell sagt: „Was uns bleibt, sind soziale Dienste und Wohltätigkeitsorganisationen, wie das Royal National Institute for the Blind, die uns praktische Unterstützung bieten. Uns ist das umfangreiche Wissen und das trotz begrenzter Ressourcen starke Engagement der Mitarbeiter des Instituts sehr positiv aufgefallen.“
Für die Wheelers war eine Facebook-Selbsthilfegruppe die Hauptinformationsquelle und bot Kontakt zu anderen Betroffenen. Weiterhin stellt die Website www. lhon.org Informationen über Entwicklung und Forschung für neue Therapien so weitreichend wie möglich zur Verfügung.
Obwohl Russel diese Bemühungen aktiv unterstützt und seinen Beitrag leistet, meint er, dass dies noch zu wenig ist und für diejenigen, die sich zum ersten Mal mit dieser Erkrankung beschäftigen, nicht ausreicht. Er erklärt: „Keiner der Ärzte hat uns genauere Informationen gegeben, noch nicht mal die Experten für diese Erkrankung. Wir wurden sehr allein gelassen.“
Bis vor Kurzem wurde LHON als unheilbar betrachtet, ohne Hoffnung auf weder Behandlung noch Heilung. Also gingen von LHON Betroffene oft jahrelang nicht zum Arzt – denn wozu auch. Wie Russel sagt: „Sie müssen einfach ihr Leben weiterleben.“
„Folglich besteht auch keine Nachfrage für Selbsthilfegruppen, denn der Zweck solcher Gruppen ist nicht erkennbar. Die Menschen, denen diese Selbsthilfegruppen am meisten nützen würden, haben wahrscheinlich noch nie von dieser Erkrankung gehört bzw. wissen noch nicht, dass sie LHON haben“, meint Russel.
Deshalb ist Russel davon überzeugt, dass die Stärkung des Bewusstseins und des Wissens über diese Erkrankung bei Beschäftigten des Gesundheitswesens und Patientengemeinschaften aktuell von größter Wichtigkeit ist. Eine stärkere Sensibilisierung führt dann hoffentlich zu mehr Forschungsförderung. Obwohl LHON eine Orphan-Krankheit ist, ähneln ihre Symptome denen anderen Krankheiten und ein Zusammenwirken aller Betroffenen kann sich nur positiv auf die Forschung in diesem Bereich auswirken.
Vor Kurzem wurden zwei Orphan-Medizinprodukte für LHON zugelassen. Eines dieser Produkte ist eine Gentherapie, für die die vom Institut de la Vision, Frankreich beantragte Orphan-Designation für Arzneimittel 2011 zugelassen wurde. Somit gibt es jetzt Hoffnung auf mögliche zukünftige Therapien.
Dieser Artikel wurde zuerst in der April 2011 -Ausgabe des EURORDIS-Newsletter veröffentlicht.
Autor: Irene Palko
Übersetzer: Peggy Strachan & Renate Fitzroy
Fotos: © Alethea Wheeler & www.lhon.org